Knapp 80 h dauerte die Fahrt mit dem Zug von Moskau nach Irkutsk und kostete mich knapp 200 Euro in der sogenannten Kupe Klasse. Das ist schon etwas besseres. In der Platzkartnya Klasse, so ne Art Schlafsaal innerhalb eines Wagons, haette die Fahrt nur die Haelfte gekostet – und soll in der Regel auch unterhaltsamer sein. Naechstes Mal!
Die Zeit verging wie im Zug. Hatte leider etwas Pech mit den Fahrgaesten in meinem Abteil. Ein langweiliges sprachloses ignorantes Paar aus Irkutsk, in den 30ern, mit einem selten haesslischen rundgesichtigen Sohn, leistete mir auf der gesammten Strecke von Moskau nach Irkutsk, was eher ungewoehnlich auf solch langer Strecke ist, Gesellschaft. Deshalb verbrachte ich die meiste Zeit im Speisewagen bei teuerem russischen Bier. Nun ja 2 Euro die Einheit, aber man wird ja geizig wenn man unterwegs ist! Die endlose russische Landschaft streifte an mir vorbei. Als passender Soundtrack fuer die Fahrt, hatte sich nicht wie gedacht Radiohead, sondern eine relativ neue Band aus Neu Mexiko mit dem Namen Beirut durchgesetzt. Forks and Knives!
Da gab es vom Fenster aus viel zu sehen. Einsame Doerfer mit unbefestigten Wegen, gesund aussehende fette Kuehe – grassend vor gemuetlich anmutenden Holzhaeusern. Endlose Birkenhaine, endlose Felder, endloser Nadelwald und nochmals Birkenhaine, dann Mischwald und dann wieder einsame Doerfer. So wie man es eben schon in den vielen Transsib Reportagen im Fernsehen gesehen hat!
Durch die enormen Weiten in Russland passierte man verschiedenste Zeitzonen. Wieviele hab ich vergessen. Waren es 6? Das konnte dazu fuehren, dass es ploetzlich um drei Uhr morgens hell war oder es bereits um 3 Uhr nachmittags daemmerte. Die grossen Staedte auf der Transsibstrecke wie bspw. Jekatrinenburg, Omsk oder Nowosibirsk lagen oft unendlich weit auseinander. Oftmals tausende von Kilometern, dazwischen nichts. Die Vereine der russischen Fussballliga werden wohl bei diesen gewaltigen Entfernungen, nur seltenst mit dem Mannschaftsbus zu Auswaertsspielen fahren!
Ca. 6 h auf wellenfoermigem Strassenuntergrund dauerte die Fahrt mit dem Bus von Irkutsk nach Olkhon, der groessten Insel des Baikalsees. Ich wohnte in Chuschir, dem Hauptort der Insel bei Babuschka Olga – inklusive Vollpension. Uebrigens gar nicht mal so billig, so um die 30 Euro die Nacht. Schon wieder ne Olga – tja in Russland heissen die Frauen eben fast alle Olga oder Natascha! Es gab jeden Tag Omul Fisch, der Fisch des Baikals, in allen Variationen. Olga war eine grossartige Koechin. Und das war gut so, den die russische Kueche ist ja ansonsten nicht so beruehmt. Das durfte ich ja immerhin fast einen Monat lang testen.
In Chuschir hatte ich endlich das Gefuehl in Russland angekommen zu sein. Zumindest so, wie es meiner fast krankhaft ewig nach Nostalgie suchenden Imagination entsprach. Hier dominierten noch der Lada, die Mosquitschs und Denjepr Gespanne und nicht wie im Westen des Landes, der Porsche Cayenne. Halbstarke hochwangige blasse Burschen, mit groben Gesichtszuegen machten abends das Dorf unsicher. Indem sie mit kaum fahrtuechtigen Vehikeln und lauter proletarischer Technomusik ueber die nicht asphaltierten Strassen des Dorfes jagten. Es gab fast nur Holzhaeuser und das monatliche Einkommen lag bei kaum mehr als 100 Euro. Alte Babuschkas, die ich leider nicht zu fotografieren wagte, sassen abends eingewickelt in Kopftuechern vor ihren Blockhausern, strickten Pullover fuer den naechsten Winter oder streichelten ihre Katzen.
Der Schiffe im Hafen von Chuschir, an dem es mal zu sozialistischen Zeiten eine Fisch Konservenfabrik gab, rosteten vor sich hin. In Chuschir wohnten hauptsaechlich Russen, waehrend die Ureinwohner, die Burjarten die ethnisch den Mongolen nahestehen in den Nachbardoerfern lebten, die noch aermer waren.
Ach ja und dann wurde vor kurzem die alte Kirche in Chuschir wieder errichtetet. Die muss wohl auch irgendwann mal so einer kommunistsich kulturellen Seauberungswelle zum Opfer gefallen sein. Nun ja, seitdem die Kirche wieder steht, sollen ausserst seltsame Dinge auf Olkhon vor sich gehen. So erzaehlt man sich. So fing das oertliche Saegewerk ploetzlich ohne Grund an zu brennen. Oder ein Auto mit 4 Jugendlichen stuerzte nachts in den Baikalsee und alle Insassen ertranken. Ich fragte die arbeitslose Deutschlehrerin, die gegenueber von Olga wohnte, ob das nicht auch an den vielen herumliegenden Wodkaflaschen gelegen haben koennte? Sie verneinte und meinte, am liebsten wuerden die Einwohner von Chuschir die Basilika wieder weg haben…