Kommentare 3

5. The Gambia

Wie jede Reise neigt sich auch mein diesjähriger Roadtrip durch Westafrika, mit immerhin sieben durchquerten Ländern, seinem Ende zu. Nach ein paar Tagen in Sanyang, einem einfachen Strand mit viel Reggaemusik und Marihuanageruch im Süden des Landes, bin ich jetzt in Kololi, dem Epizentrum des gambischen Tourismus. Ich wollte mir zum Schluss nochmal anschauen, wie sich in diesem kleinen Land der Pauschaltourismus entwickelt hat.

Vier afrikanische Sterne habe ich mir zum Abschluss nach den staubigen Entbehrungen der letzten Wochen gegönnt. Bamboo Village Resort nennt sich die Anlage, man wohnt in netten afrikanischen Rondavels, landestypische Rundhäuser mit schilfartigen Grass bedeckt. Es gibt einen recht gepflegten großangelegten Pool, der sich durch das gesamte Areal zieht und sogar ein Animationsprogramm, das glücklicherweise von den Gästen kaum in Anspruch genommen wird.

Inklusive im Preis von fünfzig Euro ist ein einfaches, aber reichliches Frühstücksbuffet, an welchem man morgens Astrid aus Leipzig mit dem Jobateh oder die Jane aus Birmingham mit ihrem Mboge trifft. Das Bamboo ist eine kleine Wohlfühl-Oase in Kololi, wo in die Jahre gekommene Damen in schrillbunten Boubous, ein locker fallendes, weites landestypisches Kleid, und blond gefärbten Haaren, ihren zweiten Frühling erleben. Die Damen sind meist über sechzig, oft weit darüber, während der Gambianer in der Regel unter dreißig Jahre alt ist, meist von schlaksiger Statur mit Rastafrisur.

Ungefähr so, wie in Thailand, nur umgedreht. Vor allem ältere Engländerinnen scheinen sich in der ehemaligen englischen Kolonie wohlzufühlen, nicht nur wegen des Englischs, das hier immer noch halbwegs gut gesprochen wird. Als “Granbia“ bezeichnet die traditionell zynische englische Presse genüsslich das kleine westafrikanische Land wegen dieser Gepflogenheit. Ein Wortspiel aus Granny für Großmutter und Gambia.

Das knapp drei Millionen Einwohner zählende Gambia gehört zu den kleinsten Ländern in Afrika und wird hauptsächlich von Pauschaltouristen bereist. Ein 450 Kilometer langer Schlauch, oft weniger als 50 Kilometer breit, der sich von der Atlantikküste entlang des Gambia Rivers ins Inland zieht. Gambia gehört zu den ärmsten Ländern Afrikas. Haupteinnahmequellen sind Tourismus, Entwicklungshilfe und Landwirtschaft.

Als etwas anstrengend empfinde ich insbesondere die Küstenregionen von Gambia, an denen sich quasi der gesamte Tourismus abspielt. Ich habe immer gedacht, dass die Ägypter und Marokkaner die Poleposition innehaben, wenn es darum geht, uns Touristen das Leben schwer zu machen. Der Pauschaltourismus hat die Einheimischen zu Glücksrittern gemacht. Selten vergehen mehr als zehn Meter Strandspaziergang, ohne dass einem eine geschäftstüchtige Hand entgegengestreckt wird. Wird diese ignoriert, kann es auch mal zu Beschimpfungen kommen: Be polite, show respect, don’t come here anymore…

Ich gehe selten zum Strand, auch wenn er recht schön, breit und für hiesige Verhältnisse gepflegt ist. Es ist mir einfach zu anstrengend, ewig dieses sinnentleerte Gequatsche. Aber einer Sache wollte ich doch nochmal auf den Grund gehen. Der Atlantik ist ja bekanntlich ziemlich rau und vor allem kalt. Kurzum, so gut wie niemand badet darin. Eigentlich sieht man fast Niemanden, der badet. Gleichzeitig gibt es aber am Strand, gefühlt alle zwanzig Meter, schattenspendende Unterstände mit Gruppen von gelangweilten Lifeguards, meist junge Männer, alle im gleichen gut erkennbaren roten Bademeisterdress. Vor jedem solch Lifeguard Unterstand steht in auffälliger Farbgebung eine Donation Box mit großer Aufschrift. Eine westliche NGO gibt sogar morgens lebensrettenden Unterricht. Erinnerte mich fast an Baywatch.

Kurzum, gefühlt achtzig junge Bademeister an einem überschaubaren Strandabschnitt, in dem so gut wie nie einer schwimmt. Da darf man sich doch mal bitte wundern. Aber die wache Zeit erzeugt immer wieder Sonderbarkeiten und schon wieder musste ich an Radwege in Peru denken.

Kommentare 1

4. Guinea Bissau

Angekommen! Das war nochmal eine ziemlich wilde Fahrt von der senegalesischen Grenze in die Hauptstadt des kleinen Landes. Die letzten hundertvierzig Kilometer meiner Reise dauerten nochmal gut sechs Stunden. Ich habe ja schon einige haarsträubende Pisten erlebt, aber diese Fahrt wird mir bestimmt im Gedächtnis bleiben.

Man merkte schon auf der unerwartet gut ausgebauten Einfallstraße, die in das Zentrum von Bissau führte, dass diese Stadt anders tickte als andere afrikanische Städte. Portugiesische Straßenschilder und Wegweiser. Der Verkehr der 400.000 Einwohner zählenden Stadt gestaltet sich deutlich gesitteter als im Senegal. Die Fahrzeuge sind für afrikanische Verhältnisse in einem recht guten Zustand, kaum Schrottkisten, keine Eselskarren oder Ähnliches. Und das, obwohl Guinea-Bissau eines der ärmsten Länder in Afrika sein soll, seltsam.

Als erstes stechen mir die vielen metallic blauen Taxen ins Auge. Alte Mercedes 190er, damals Baby- oder Türkenbenz genannt, gebaut von 1982 bis 1993. Sie bestimmen in jeglicher Hinsicht das Straßenbild. Siebzig Prozent des Verkehrs machen diese Fahrzeuge aus. Fantastisch. Das muss auf jeden Fall die weltweit größte Ansammlung dieser zuverlässigen Vehikel sein. Könnte vielleicht irgendwann mal sogar eine Touristenattraktion werden. Was auf Kuba die Ami-Schlitten sind, sind hier die alten 190er.

Portugiesische Kolonialbauten mit viel Patina prägen das Stadtbild von Bissau. Ich bin beeindruckt. Ganze intakte Straßenzüge, die Häuser fast immer mit schönen Balkonen. Meist am oberen Stockwerk hängend, oft ums gesamte Gebäude herum, mit Stahlgeländern. Nicht zuletzt dienen solche Balkone auch als wichtige Schattenspender, in den Straßen und Gassen. Die meisten Gebäude im Baustil um die 1920er bis 1960er Jahre. Viele mit Bewuchs auf den Dächern. Neuere Bauten gibt es im Zentrum kaum. Hochhäuser sieht man gar nicht.

Vor Bissau war Bolama die Hauptstadt von Portugiesisch-Guinea. Eine Insel, die zum Bijagos Archipel gehört, eine Inselgruppe vorgelagert vor der Küste. Leider ist Bolama wegen fehlender Infrastruktur nur mit einem der traditionellen Holzboote, einer Pirogue, zu erreichen. Gut dreißig Kilometer entfernt vom Festland, mehrere Stunden in einer Nussschale auf offener See. Das war mir die Sache nach den ganzen Mühen der letzten Wochen nicht wert. Aber ich will mich nicht belügen, vielleicht wird man im Alter auch ängstlicher.

Viele der Straßen in der Hauptstadt sind nicht asphaltiert, dementsprechend staubig ist es. Feiner roter Staub, man kommt kaum dagegen an. Mein Guesthouse, geführt von einem großen schwarzen Portugiesen, befindet sich kaum hundert Meter vom Zentrum und vom schwer bewachten Präsidentenpalast entfernt. Aber auch hier kein Asphalt, obwohl es einer der besten Wohngegenden Bissaus sein soll.

Mehrmals am Tag fällt der Strom aus und damit auch das Internet. Mein Guesthouse hat, wie übrigens auch viele Restaurants in Bissau, kein Namensschild. Man möchte nicht erkannt werden, meint Nico, der Guesthouse-Besitzer, sonst steht fast jeden Tag eine andere Behörde vor der Tür und bettelt um Geld.

Der Latinoeinschlag der Stadt ist noch deutlich zu spüren. Immerhin waren die Portugiesen bis Ende 1974 hier. Ab mittags ist Siesta. Dann sieht man kaum noch Leute auf der Straße. Ich mag diese Ruhe und Gemächlichkeit. Mit etwas Fantasie spürt man fast was Kubanisches. An der portugiesisch beeinflussten Musik, wie sich die Menschen kleiden, an den verfallenen Treppenhäusern, wenn die Türen der Häuser offen stehen. Die Menschen sprechen hier Creole, eine Mischung aus Portugiesisch mit französischen und afrikanischen Sprachanteilen. Und es gibt endlich auch wieder Cafés, also solche, bei denen man draußen sitzen kann und beobachtet. Die Frauen zeigen wieder ihre Haare und der Muezzin singt nur am Stadtrand.

Eine gut erhaltene Kirche gibt es im Zentrum. Noch gut zwanzig Prozent der zwei Millionen Einwohner von Guinea-Bissau sind Christen. Hochkorrupt und arm sei das Land. Ersteres ist deutlich zu sehen an den dicken Limousinen. Meistens SUV oder Geländewagen. Gar nicht selten auch mal einen Jaguar X-Type der 2000er Jahre. Wie die wohl hierher gekommen sind? Hier in Bissau geht sicherlich vieles nicht mit rechten Dingen zu. Fast alles wird importiert in Bissau, dementsprechend die Preise in den Supermärkten. Nicht wenige ältere portugiesiesche Herren sieht man in den Cafés, meist gut gekleidet, mit Zigarette vor einem Galao. Vor jedem Haus hockt gefühlt ein gelangweilter Seguranca, eine Security, obwohl es hier recht sicher scheint. Der Mindestlohn liegt bei sechzig Euro im Monat, während ein Milchkaffee schon um zwei Euro kostet. Viel Polizei und Militär. Die Polizei soll fast gar nichts verdienen. Sie verdienen ihr Geld hauptsächlich durch das Verteilen von Bußgeldern, so Nico.

Bissau muss wohl die Stadt mit der höchsten Zebrastreifendichte weltweit sein. Gefühlt alle zwanzig Meter ein frisch gemachter Zebrastreifen, der an Professionalität kaum zu überbieten ist. Scharfkantig und akkurat. In der ganzen Stadt. Leider interessieren sich die Autofahrer hier vor Ort kaum dafür. Das heißt, die Zebrastreifen werden fast vollkommen ignoriert. Wahrscheinlich sind es dafür auch zu viele, sind einfach deplatziert.

Ein einheimischer Portugiesisch-Lehrer, den ich gestern kurz kennenlernte, meinte, die EU hätte die Zebrastreifen gespendet. Die Autofahrer müssten sich erst einmal daran gewöhnen, das wird aber noch dauern. Ich musste schmunzeln und irgendwie gleich an Radwege in Peru denken.

Kommentare 0

3. Senegal

Die letzten zwei Tage in Senegal verbrachte ich etwas außerhalb der Stadt, in einem Overlander-Camp. Bisschen Natur, Vögel, mal eine freche Eidechse, Dattelpalmen und natürlich die Wohnmobile und Motorräder der Überlandreisenden. Eine eigene Community, vernetzt über einschlägige Foren, die sich beispielweise Wüstenschiff oder Sahara-Overland nennen.

Morgen früh geht es auf das Konsulat von Guinea-Bissau, dem ehemaligen Portugiesisch-Guinea, Kolonie bis 1974. Das Visum soll hier in der Distrikthauptstadt Ziguinchor, ganz im Süden des Senegals, einem Gebiet, das sich Casamanche nennt, leicht erhältlich sein. Ein Geheimtipp in der Szene!

Mittlerweile bin ich fast zwei Wochen im nicht ganz billigen Senegal unterwegs. Die Preise von durchschnittlich vierzig Euro für eine einfache, oft schmutzige Herberge tun schon fast weh, insbesondere, wenn man asiatische Preise gewohnt ist. Aber hilft nix, Zähne zusammenbeißen und einfach öfter mal zum ATM. Das westafrikanische Land gehört zum Verbund der sogenannten CFA-Länder, in dem die Währung damals an den französischen Franc, heute Euro gekoppelt wurde. Nicht nur im Hinblick auf die Währungsstabilität, sondern auch, um den wirtschaftlichen Aufstieg in dieser Region voranzutreiben.

Saint Louis, die ehemalige Hauptstadt des französisch kolonialen Westafrikas im Norden des Landes, unweit der mauretanischen Grenze, war mein Einstieg in den Senegal. Die seit 1995 als Unesco Kulturerbe geschützte Altstadt ist nochmal ein kleiner Höhepunkt auf meinem Roadtrip. Verwitterte Kolonial-Architektur hat mein Herz schon immer höher schlagen lassen. Die Franzosen, aber auch die Portugiesen und Engländer haben da seinerzeit oft gute Arbeit hingelegt. Darf man das heute überhaupt noch so sagen?

Immer noch sehr trocken und sandig ist es hier, auf diesem Breitengrad. Subsahara oder auch Sahel wird diese Landschaft geografisch genannt. Das alte Saint Louis liegt auf einer überschaubaren, langgezogenen Insel, knapp einen Kilometer lang und nur zweihundert Meter breit, verbunden mit dem Festland, also dem neueren Teil der Stadt, durch eine alte Stahlbrücke, entworfen in der Kolonialzeit, angeblich von Gustave Eiffel. Die Altstadt ist keineswegs überrestauriert, Leerstand und Verfall, da gibt es immer noch viel zu tun. Die staubigen Gassen und die farbenfrohen Häuser wurden mittlerweile von der muslimischen Kultur übernommen. Der Muezzin ist allgegenwärtig, ebenso die vielen alten Pferdekutschen, die ihre Dienste anpreisen.

Nach Dakar und der Sklaveninsel Goree bin ich, wie bereits erwähnt, in Ziguinchor angelangt, der Hauptstadt der Casamance dem Süden des Senegals, da wo es dann langsam grüner wird. Hier soll es sogar irgendwo in einem Nationalpark Elefanten und Löwen geben, was eher ungewöhnlich ist, in Westafrika. Mit dem Schiff ging‘s hier runter. Eine große Fähre, die auch Autos transportiert und dreimal die Woche von Dakar entlang der Atlantikküste hier in Richtung Süden fährt. Gut fünfhundert Kilometer in zwanzig Stunden. Damit man nicht immer durch das kleine Gambia muss, das komplett vom Senegal umschlossen ist. So richtig grün sind sich die beiden Länder scheinbar immer noch nicht, bis 1987 bildeten sie noch eine Union.

Überrascht hat mich die augenscheinliche Armut in Senegal. Ich hatte es immer als eines dieser afrikanischen Vorzeige-Länder im Hinterkopf, mit passabler Nationalmannschaft, Dakar als pulsierende Capitale von gewisser Bedeutung. Nicht so entwickelt wie Namibia oder Südafrika, aber vielleicht so wie Ghana oder Marokko, dachte ich?! Die Infrastruktur ist schlecht, vieles überteuert, um es kurz zu machen. Ein Liter Milch kostet 2,50 Euro. Der Mindestlohn soll nur bei etwas mehr als hundert Euro liegen.

Nicht erst seit gestern merke ich, es wird Zeit für mich, nach Marokko, Mauretanien und Senegal die frankofonen Länder zu verlassen. Das Französische ist mir hier einfach zu dominant, raubt mir meine Gelassenheit. Sicherlich auch wegen meiner bescheidenen Französisch-Kenntnisse.

Englisch ist in diesem Teil der Welt eine Rarität, dafür haben die Franzosen gesorgt. Mal gucken, wie es in Bissau wird, da ist ja Portugiesisch Amtssprache, hoffe, dass ich da auch mit meinem verbliebenen Spanisch etwas ausrichten kann. Das ich mir immerhin vor – sage und schreibe – über fünfunddreißig Jahren mühevoll angeeignet habe, als junger Traveller.

Kommentare 1

2. Mauretanien

Seit einigen Tagen bin ich jetzt in Mauretanien. Gut 4000 Kilometer sind es bis hierher von meinem Ausgangspunkt Malaga auf dem Landweg, sagt mir gerade Google Maps. Mauretanien, der unbekannte, extrem dünn besiedelte, muslimische Wüstenstaat in der Sahara, hat mich schon immer interessiert, auch wenn es hier nur wenig zu sehen gibt. Wie leben die Menschen hier, wie bewegen sie sich, wie verhalten sie sich?

Über die Guergarat-Grenze von Marokko kommend bin ich eingereist, in den Norden des Landes. Seit zwei Wochen ist die Einreise nach Mauretanien nur noch mit dem neuen eVisa möglich. Dieser Umstand bescherte mir eine ungeplante dreitägige Wartezeit in Dakhla, der letzten größeren Stadt im Süden von Marokko. Das eVisa sollte die Einreise vereinfachen und die Wartezeiten verkürzen, hieß es auf der offiziellen mauretanischen Visaseite. Dieses Versprechen sollte für viele Antragsteller nicht Wirklichkeit werden. Scharen von Touristen warteten im staubigen Grenzort Guergarat auf ihre Einreiseerlaubnis. Oft tagelang oder gänzlich erfolglos, trotz mehrerer Online-Anträge, entweder in einem der drei ausgebuchten Hotels, in Zelten oder in ihren Wohnmobilen.

Nach einem bürokratischen Grenzübertritt, an welchem mein Pass an sieben verschiedenen Stellen durch unzählige mauretanische Finger wandert, plus 55 Euro Cash für das Eintrittsticket, geht es mit einem Toyota Minibus nach Nouadhibou in die zweitgrößte Stadt des Landes. Auf den ersten Blick ist Mauretanien vor allem eines: sandig und extrem vermüllt. Die Menge an herumliegenden Müll hat selbst mich zum Staunen gebracht. Das Land ist quasi von Müll jeglicher Art überzogen. Neben Plastik und sonstigem Restmüll auffällig viele Autoreifen und Autowracks. Ich konnte es kaum glauben, fragte mich, während meiner Busfahrten immer wieder, ob ich spinne. Auch der Geruch von Aas und Urin ist keine Seltenheit. Gestern grinste mich bei einem Gang zu meiner Auberge ein plattgefahrener Ziegenkopf an. Das gequälte Ziegengesicht war noch gut erkennbar. Selbst die Zähne und Hörner waren gut sichtbar in einer Mischung aus Sand und Asphalt gepresst, wie ein überfahrener, vertrockneter, fast steriler Igel.

Auffällig ist die Präsenz der Exekutive allerorts. Alle zwanzig Kilometer gab es auf dem Highway Fahrzeugkontrollen, Straßensperren, Stacheldraht. Oft mehrere Absperrungen kurz hintereinander. Neben dem Reisepass und seinem ausgedruckten eVisa muss man als Ausländer bei jeder Kontrolle dem Beamten eine sogenannte Fiche aushändigen. Das ist eine Kopie des Passes, mit Angaben, wohin man möchte im Land und derlei Angaben.

Mauretanien ist eines der Länder mit dem geringsten Tourismus weltweit. Dennoch gibt es seit einigen Jahren, befördert durch selfmade youtube Videos, eine wachsende Anzahl von Iron Ore Train-Hitchhiker.

Während meines gesamten Aufenthaltes in Mauretanien habe ich keinen einzigen Reisenden getroffen, der nicht mit dem Zug fahren wollte. Der Eisenerzzug ist der längste Zug der Welt, sprich einige Kilometer und bis zu 220 Waggons lang. Er fährt jeden Tag von der Minenstadt Zouerat, einem der größten Erzabbaugebiete Afrikas, in gut zwanzig Stunden an die Atlantikküste nach Nouadhibou zum Verladen, um dann wieder leer zurückzufahren. Als Iron Ore-Hitcher gilt es als uncool, im leeren Waggon zu sitzen, sondern es sollte schon der befüllte sein. Es sei bequemer, abenteuerlicher und man habe eine bessere Sicht. Das heißt, man musste erst mal rund 800 Kilometer durchs Land mit dem Bus fahren, um zum Ausgangspunkt des mit Erz befüllten Zuges zu gelangen. Mit Schneebrille, Proviant, Schlafsack etc. musste man dann bei einem Halt in Zouerat oder Choum auf den Zug springen. Die Fahrt ist offiziell umsonst.

Angeblich eine experience once in a lifetime, welches ich mir, letztlich aus Bequemlichkeit, geschenkt habe.

Paolo, ein etwas unsicherer Portugiese in seinen fünfziger Jahren, mit dem ich eine Busfahrt teilte, versprach sich von der Fahrt auf dem Eisenerzzug eine große Veränderung in seinem Leben. Nur deswegen war er nach Mauretanien gekommen, erhoffte sich sogar so etwas Ähnliches wie Erleuchtung von der Fahrt.

Nicht wirklich billig ist es in Mauretanien. Für ein halbwegs vernünftiges Zimmer mit Bad muss man mindestens 40 Euro rechnen. Auch ein einfaches Essen in einem besseren Restaurant kostete schnell mal zehn Euro. Restaurants, die ein Minimum an Standard aufweisen, sind rar gesät, die lokalen Restaurants selbst mir zu spartanisch. Ich aß immer beim Chinesen, im Mercou, gleich um die Ecke von der Auberge Sahara. Treffpunkt von Expats und ausländischen Handwerkern. Aber nicht, weil das Essen so gut war, wie ich schnell feststellte, sondern weil es dort Alkohol gab. Natürlich nur für Nichtmuslime. Die Dose Heineken für sage und schreibe 18 Euro!

Mauretanien war ein restriktives, stark religiös geprägtes Land, das nicht viel Freude und Freiheit versprühte. Dunkel und schmutzig, mit wenig Infrastruktur und vielen Moscheen erinnerte es mich stark an den Sudan. Das streng religiöse System bot seinen Menschen nicht viel Unterhaltung, wollte es wohl politisch auch gar nicht. Die unzähligen Cafés und Teestuben, wie man sie noch aus Marokko kannte, waren wie weggezaubert. Soziale Plätze zum Verweilen waren tabu, nirgends zu finden. Die Mauretanier wirkten auf mich sehr zurückhaltend und schienen nicht wirklich fröhlich. Seltsamerweise sind die Menschen, obwohl sie kaum Ausländer zu Gesicht bekommen, überhaupt nicht neugierig, ja sie beachteten einen kaum. Selbst wenn man den Blickkontakt forcierte, verspürte man kaum Reaktion. Aber irgendwie genoss ich auch diese Zurückhaltung.

Gestern war ich auf dem zweitgrößten Kamelmarkt Afrikas, in der Hauptstadt Nouakchott. Wäre da nicht der eine oder andere alte Mercedes oder Peugeot gestanden, hätte man glatt denken können, man sei irgendwo in den 70er Jahren. Männer in ihren traditionellen blauen Gewändern, Wüstensand und Kamele, wohin das Auge blickte. Ich kam mir fast deplatziert vor, wie ein Eindringling. Ich latschte durch den Sand zwischen den Kamelen umher und die Einheimischen würdigten mich kaum eines Blickes, als ob ich gar nicht da wäre. So was habe ich bisher in dieser Form noch nie erlebt. Nur fotografiert werden wollten sie nicht. Da konnten sie sehr böse werden.

Kommentare 6

1. Tangier: Le Gran Cafe de Paris

Vier Tage war ich jetzt in Tanger. Das ist für mich das absolutes Minimum, um ein wenig in die Seele einer Stadt einzutauchen. Ich sitze im Le Gran Café de Paris, am Place de France, gleich gegenüber dem französischen Konsulat. Das Café ist eine Institution in Tangier, established 1927, das Interieur hat sich kaum verändert, sagt man. In den 1940er bis 1960er Jahren verkehrten hier Bohemiens, Schriftsteller, Spione und Päderasten. Jeder der hellbraunen stylischen Lederstühle hatte eine kleine Geschichte zu erzählen. Tennessee Williams, Paul Bowles, Truman Capote, William S. Burroughs und Jack Kerouac waren hier, um nur ein paar Namen zu nennen. Das Café diente für einige Spielfilme als Kulisse. Die Kellner des Gran Café waren alt, so alt, dass sie Teil des Inventars waren. Ich liebte solche Plätze, sie zogen mich an. Viel mehr als Museen oder sonstige konventionelle Sehenswürdigkeiten.

Soeben nahm neben mir eine extravagante, ganz in schwarz gekleidete Französin, mit übergroßer Sonnenbrille und Michael Kors Handtasche, Platz. Laut und hektisch gestikulierend telefonierte sie mit ihren zwei Handys umher. Franzosen telefonierten gerne laut und achtlos, dachte ich nicht zum ersten Mal. Als sie endlich das Gespräch beendete und das Telefon ablegte, konnte ich an ihrem Hals erkennen, dass sie doch nicht Anfang Vierzig war, wie ich zunächst annahm, sondern mindestens Sechzig.

Gut zwei Stunden verbrachte ich jeden späten Morgen hier im Café, immer am gleichen Platz, immer unter der großen Wanduhr, direkt gegenüber des Haupteingangs. Strategisch gut gelegen hatte ich so die gesamte Räumlichkeit im Blick. Befand mich somit abseits der Laufkundschaft und konnte so ungestört meinen Beobachtungen freien Lauf lassen.
Einige der Charaktere des Cafés kannte man bereits vom Sehen. So den großgewachsenen Europäer in dem beigefarbenen Trenchcoat. Ich schätze mal Franzose. Er trug immer eine auffällig grell bunte Keith Haring Umhängetasche über der Schulter. Lief immer mit suchendem Blick durchs Café. Er blieb nie lange, kam gefühlt jede Stunde, trank nie was. Was er wohl suchte?

Ich versuchte, Burroughs bekanntesten Roman „Naked Lunch“ zu lesen, kam aber nicht voran, wurde immer wieder abgelenkt. Das Buch war nicht leicht zu lesen. Eigentlich war es gar kein Roman, sondern vielmehr eine disparate Aufzeichnung von realen Erlebnissen, Halluzinationen und Phantasien ohne durchgängigen Handlungsfaden. Eine wilde, abgründige Prosa, ohne Unterteilung oder Kapitel, an denen man sich mal kurz ausruhen hätte können.
Ich wollte aber durchhalten, bis zum Schluss, das hatte ich mir fest vorgenommen. Burroughs schrieb es während seiner Drogenabhängigkeit in Tanger in den 50er Jahren, im Hotel El Muniria, in dem ich auch wohnte. Laut einer Internetseite, Treffpunkt von Literatur-Nerds und Nostalgikern. Ich habe keine getroffen. War wohl noch zu kalt. „El hombre invisible“ nannte der damalige Hotelbetreiber Burroughs übrigens, da man ihn fast nie zu Gesicht bekam.

Tanger, oder wie Burroughs die Hafenstadt gerne in seinen Erzählungen nannte, die Interzone, war in den 50er bis in die 60er Jahre ein Sündenbabel. Eine neutrale Sonderzone mit besonderem internationalen Status. Liberal und sehr freizügig. Als Europäer hatte man dort nichts zu befürchten, solange man seine Rechnungen beglich. Alles war möglich und erhältlich.

Fadal, einer der Kellner im Paris, immer im Anzug und weißen Hemd, brachte mir einen weiteren Café au Lait. Nennt mich dabei immer, liebevoll Monsieur. Das geht schnell im ganzen Maghreb, natürlich sollte man das Trinkgeld nicht vergessen. Auch der Toilettenmann des Cafés grüßte mich immer mit seinem Plakatgrinsen, wohl wissend, dass ich ihm einige Dirhams nach meiner Notdurft in die Schale legte.

Ich mochte Tanger, die Stadt übte einen gewissen Reiz auf mich aus. Die Menschen waren reservierter, gingen einem nicht so auf die Nerven wie in Fez oder Marrakesch. Sie wirkte eher mediterran mit den großzügigen Boulevards und ihrer weißgetünchten Architektur. Tanger war nicht so streng und orientalisch wie andere Städte in Marokko. Obwohl, wie ich unlängst las, die Anzahl der Hijabs in der Hafenstadt in den letzten zehn Jahren sprunghaft zugenommen haben soll. Eine Entwicklung, die man in fast allen muslimischen Ländern beobachten kann.

Im Gran Café saßen die Einheimischen meist stundenlang, ja oft den halben Tag. Man trank Café au Lait, Café noir, Espresso oder den landestypischen frischen Pfefferminztee. Also ohne Beutel, sondern zubereitet mit frischen Blättern in einem großen Glas. Gerne mit viel Zucker. Zum Kuchen essen ging man woanders hin. Die drei oder vier Croissants, die hinter der Scheibe in der Auslage lagen, sahen so aus, als ob sie schon seit Wochen hier liegen.

Gelegentlich kamen auch fliegende Händler durch die große Glastür ins Café, natürlich nur solche, die die Erlaubnis hatten. Versuchten Uhren, Socken oder sonstiges an den Mann zu bringen. Gestern wollte mir ein Herr mittleren Alters das karierte Jackett seines verstorbenen Vaters verkaufen. Ich habe sogar kurz mal überlegt.

Kommentare 1

Addis Abeba, Juni 2019

Seit einigen Tagen verweilte ich nun schon in Bole, einer der vornehmeren Gegenden in Äthiopiens hochgelegener Hauptstadt. Merken tut man davon, außer am gehobenen Preisniveau, nur wenig. Müll, Schlaglöcher, auf brüchigen Bürgersteigen herumliegende schwer betrunkene Männer, kläffende Hunde, dubiose Gestalten, die an jeder Ecke nach einem Geschäft wittern. Eine völlig verwahrloste Infrastruktur, 12 Stunden am Tag ohne Stromversorgung und notorischer Wassermangel. Addis Abeba hat sich nicht verändert. Es ist immer noch das gleiche, wenn auch nicht uninteressante, Drecksloch wie vor 10 Jahren, als ich das erste Mal dieses Land bereiste. Aber als geübter, halbwegs gebildeter Reisender, zog ich natürlich trotzdem genügend Befriedigung aus meinen Beobachtungen, um mich nicht zu langweilen. Ich wartete auf meinen Flug nach Madagaskar. Um noch aufwendig durchs Land zu reisen, sind die paar Tage Aufenthalt zu wenig, Es war mir auch einfach zu anstrengend. Äthiopien war nichts für schwache Nerven, das musste ich schnell wieder feststellen.

Kühl ist es. Die kalten Monate. Nachts manchmal um die 10 Grad mit einer unangenehmen, in die Knochen gehenden Feuchtigkeit. Nichts für Rheumatiker. Vor Kurzem gab es in der Welt einen Aufsatz von Dirk Schümer, einer der letzten guten, nicht komplett links verdrehten Schreiberlinge in Deutschland, mit dem Titel „Overtourism – Die Epoche der Globetrottel“. Hier in Addis sind sie noch nicht angekommen. Kaum Touristen vor Ort. Globetrottel schon gar nicht, die fahren lieber nach Südostasien.

Ein Amerikaner mit koreanischen Wurzeln, der sich, seit sie ihm sein Handy klauen wollten, von den Einheimischen, man könnte sagen beinahe paranoid, verfolgt fühlt, wohnt auch im Abyssinia Guesthouse. Er wurde vermögend durch einen Startup während der New Economy. Jetzt reiste er nur noch. War zum ersten Mal in Afrika. Wollte nach Uganda , um einen Silberrücken für 800 Dollar aus der zu Nähe sehen. In Ruanda, das zweite Land mit noch einer kleinen Gorilla-Population, sei es mittlerweile unbezahlbar geworden. Gorillawatching in Zentralafrika kommt bei den Globetrotteln gleich nach in der Schlange stehen am Everestgipfel. Ansonsten residieren in meinem 25 Dollar Hotel, in welchem jeder Wasserhahn wackelt und jede Steckdose an seinen Drähten aus der Wand hängt, kleinere sudanesische und äthiopische Geschäftsleute, sowie ein älterer Somalier aus Mogadischu. Der ist schon seit Wochen hier. Jeden Abend sitzt er ketterauchend an dem kleinen wackligen Tisch vor dem Eingang mit einer Flasche Johnny Walker Red Label vor sich und erzählt mir spannende Horrorgeschichten aus Mogadischu. Er hatte von seinem Vater 2 gut laufende Bürokomplexe im Zentrum von Mogadischu geerbt, die an Hilfsorganisationen vermietet sind und ihm einen netten Lifestyle erlaubten. Ansonsten lebt man in Mogadischu nur, wenn man wirklich muss, so Achmed, deswegen sei er so oft hier. Ethiopian Airlines flog mehrmals wöchentlich von Addis nach Mogadischu. Eine der wenigen internationalen Flugverbindungen nach Somalia.

Wenn man in Addis einen Europäer zu Gesicht bekam, waren es meist NGOler, UNESCO, UN, Unicef oder was auch immer für Hilfsorganisations-Mitarbeiter. Viele dieser Einrichtungen hatten hier ihren Hauptsitz. Nicht zuletzt weil Äthiopien als halbwegs stabiles afrikanisches Land gilt. Selbst wenn man mal mit einem Einheimischen in einem der schicken Cafés von Addis ins Gespräch kam, war es in der Regel ein Mitarbeiter einer dieser aufgeblähten pseudohumanistischen Einrichtungen, die oft mehr Schaden als Nutzen erzeugten. Letztlich ging es fast nur ums Geld. Ein Job hier war wie eine Bank. Man fuhr teure SUVs und wohnte in netten bewachten Villen, in sogenannten ‚Gated communities‘. Erinnerte ein bisschen an Brüssel, man hatte sich festgesetzt an den Pfründen, bediente den Zeitgeist. Ergebnisse wurden nicht hinterfragt. Wer die richtigen Kontakte hatte, konnte mit einer üppig gesponserten NGO zum Millionär werden – auf Kosten der Steuerzahler. NGOs waren leider meist nichts anderes als Business.

Die nervigen Trickster in Addis waren auch immer noch allgegenwärtig. Das hatte sich nicht geändert. Leicht verdientes Geld mit gutgläubigen politisch korrekten Westlern. Ständig wurde man angesprochen: “Hey ich bin‘s John, aus deinem Hotel. Du erinnerst dich doch an mich?“ Oder: “Hallo, ich bin es, der Taxifahrer, der dich vom Airport zu deinem Hotel gefahren hat. Ziel war es das Vertrauen des Opfers zu gewinnen, bevor eine Einladung oder ein dubioser Deal vorgeschlagen wurde. Einmal hieß es, ganz in der Nähe gäbe es eine Kirche. Dahinter sollte es ein angeschlossenes Restaurant geben, in welchem normale Äthiopierinnen europäische Männer kennenlernen wollen. Um auf so was zu kommen, brauchte es schon Fantasie, dachte ich. Für ein Bier würde man mir den Weg dorthin zeigen.

Dennoch, hier im besseren Bole waren sie nicht ganz so hartnäckig wie die Rastaas vor 10 Jahren an der Piazza, dem alten Stadtteil Addis Abebas, in welchem ich damals wohnte. Diese Dreadlocks in ihren Bob Marley T-Shirts konnten richtig aggressiv werden, wenn man ihre seltsamen Dienste nicht in Anspruch nehmen wollte. Einmal wollten sie mir sogar ans Leder. Man warf mir vor, ich würde schlecht über sie reden und andere Touristen vor ihnen warnen. Seit ich im Viertel wäre, seien die Geschäfte massiv runtergegangen. Ich solle bloß aufpassen!

Seit kurz nach meiner Ankunft vor 5 Tagen gibt es kein Internet mehr in Addis. Man hat es abgeschaltet. Landesweit! Einige ranghohe Politiker wurde im Norden des Landes von einem regierungsfeindlichen Stamm hingerichtet, so erzählten es mir verschiedene Quellen. Daraufhin hat die Regierung einfach das Netz abgeschaltet. Den Sinn dahinter kann ich nicht verstehen. Selbst wichtige Institutionen wie Ethiopian Airlines, immerhin die größte Airline Afrikas, haben keinen Zugriff, sagte man mir gestern im Hauptoffice an der Edna Mall, als ich meine Sitzplätze nach Madagaskar reservierte. Eine Woche ohne Internet, das ist schon eine nette Erfahrung. Tat vielleicht auch mal ganz gut?! Hatte ich das letzte Mal im April 2015, während des Erdbebens in Nepal.

Vor 2 Wochen hatte man übrigens schon mal für einige Tage das Internet abgeschaltet. Angeblich, weil äthiopische Studenten bei ihren Abschlussarbeiten geschummelt haben. Andere Länder andere Sitten. Nun ja, heute werden die guten Männer beerdigt. Die aufwendige Prozession, mit viel Militär, Marschmusik und Reitereskorte wird schon den ganzen Morgen auf allen äthiopischen Fernsehkanälen übertragen. Man hofft, dass, wenn die guten Männer unter der Erde liegen, das weltweite Netz wieder angeschaltet wird. Noch warte ich!

Kommentare 0

4. Phnom Penh – Everything in it’s right place…

Die Welt ist entdeckt. Fast zumindest. Kaum noch Geheimnisse. Entzaubert durchs Internet? In Jakarta oder Kuala Lumpur sieht eine Einkaufspassage aus wie in der westlichen Welt. Nein, eher größer! Die exotischen Winkel, die kleinen Pensionen, die sogenannten Sehenswürdigkeiten liegen alle am großen Gemeinplatz. Jeder Zentimeter durchorganisiert. Touristenviertel, so groß wie das Münchner Oktoberfest. Mit ähnlich schmerzhaftem Trubel. Nach Südostasien verirren sich wohl heutzutage die meisten Reisenden. Afrika, der nahe Osten oder Lateinamerika sind zu gefährlich geworden. Hier ist das Leben bequem und billig. Es lässt sich gut aushalten. Die Besucherzahlen steigen kontinuierlich. Man fängt an, sich auf die Füße zu treten. Die Wohnsilos für Ausländer in Manila, Bangkok, Phnom Penh und sonst wo, werden luxuriöser und höher. Weiterlesen

Kommentare 0

3. Phnom Penh – Elephant Bar

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich erkannte, welches Lied da auf dem alten Piano gespielt wurde. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich nochmals auf die einzelnen Töne. Dann hatte ich es, es war In my Life von den Beatles. Der von Lennon geschriebene Song, klimperte als Jazzversion derart verfremdet in einer Endlosschleife vor sich hin, dass ihn mein geschultes Ohr kaum entschlüsseln konnte. Ich sitze an dem von mir gewählten Tisch an der Südseite des Raumes. An dem, mit den vier großen Sesseln. Fast schon ein bisschen frech. Aber von hier hatte man den besten Überblick. Die Gratissnacks des Hauses, Nüsse und getrocknete Bananenscheiben, stehen bereits auf dem Tisch. Vertieft in die Karte, suche ich nach dem günstigsten Drink.

Ich bin in der Elephant Bar im Le Royal, dem traditionsreichsten Hotel in Phnom Penh. Ich dachte, nach über zwölf Jahren in Kambodscha, sei es mal an der Zeit dort vorbei zu schauen. Das Hotel wurde 1929 eröffnet und von einem gewissen Ernest Hébrard im Art Deco Stil entworfen. Hébrard war seinerzeit bekanntester Stadtplaner Indochinas. Er saß unter anderem auch für das vietnamesische Saigon und Dalat am Zeichentisch. Zweihundertsiebzig Dollar zahlt man heute für das billigste Zimmer im Le Royal, das mittlerweile zur Raffles-Gruppe gehört. Ein Unternehmen aus Singapur, das sich auf das Aufpolieren alt-ehrwürdiger Hotels spezialisiert hat.

Viele bekannte Gesichter hat das Le Royal schon gesehen. Charlie Chaplin oder den Schriftsteller W. Somerset Maugham. Ende der 60er Jahre nächtigte Jacqueline Kennedy Onassis hier. Nach der Stil-Ikone wurde auch der sogenannte “Signature Coctail“ des Hauses benannt – der “Femme Fatale“. Das trichterförmige Glas für vierzehn Dollar, plus der üblichen zwanzig Prozent an Aufschlägen, die in solch Lokalitäten gerne verlangt werden. Bei dem Preisniveau begnügte ich mich mit einem Carlsberg vom Fass, das musste reichen als Eintrittskarte für meine Beobachtungen.

In den goldenen Zeiten Kambodschas, nach der Kolonialzeit, also den späten 50ern und 60ern saß auch Prinz Norodom Sihanouk gelegentlich am Flügel der Elephant Bar. Er interessierte sich seinerzeit mehr für Musik und Kunst als für Politik, hörte ich mal. 1968 veröffentlichte er sogar in der DDR eine Langspielplatte mit dem Leipziger Rundfunk-Orchester: “Palmen am Meer – Tanzmusik aus Kambodscha“. Alles übrigens Eigenkompositionen des späteren Königs.

Das Bier trank ich bei dem Preis wie einen guten Wein. Ich schaute mich neugierig um. Wo saß wohl Charlie und wo könnte Jackie gesessen haben? Und was ist überhaupt noch original? Hohe Arkaden, Elefantenmalereien an der Decke und den Wänden. Am Eingang ein geschnitzter Elefantenkopf aus Tropenholz und zwei riesige gekreuzte Stoßzähne: “Die seien aber nicht echt“, versicherte mir später der Türsteher beim rausgehen, auf Nachfrage. “Das würde gegen die geltenden Gesetze des Landes verstoßen“. Geschnitzte Elefantenmotive auch an den hölzernen Tischen. Der Name der Bar war Programm. Selbst der Serviettenhalter und der Kerzenständer auf meinem Tisch huldigten dem größten Landsäugetier unseres Planeten.

Ich liebte solch geschichtsträchtigen Plätze. Bars mit kolonialem Ambiente, an denen einst Berühmtheiten dekadent an Cocktails schlürften. Solche Plätze zogen mich an. Galt so was eigentlich schon als pervers? Dieses Faible entwickelte sich übrigens erst recht spät, so mit Ende Dreißig. Ich glaube, es begann in der kleinen Bar im “The Strand“, dem bekanntesten Hotel der burmesischen Hauptstadt Rangoon. Ich sage immer noch Rangoon. Yangon, wie die Stadt heute offiziell genannt wird, hört sich für meine Ohren irgendwie so gummiartig, so künstlich an. George Orwell pflegte unter anderem in der Bar des Strand Inspirationen für seine Romane zu sammeln. Mein neuer Fetisch verfestigte sich später im syrischen Aleppo, in der Hausbar des Hotel Baron. Dort nahmen Lawrence von Arabien oder Agatha Christi ihre Drinks zu sich. Das Baron hatte diese verstaubte Attitüde. Der alte Sessel auf dem ich saß roch muffig und hatte ein Loch. Das fand ich klasse. Eine unbezahlte Rechnung von T. E. Lawrence durfte man in einem Glaskästchen bestaunen. Sachen gibt’s!

Hemingways “La Bodegita del Medio“ in Havanna hingegen hinterließ keinen besonderen Eindruck auf mich. Man kannte die Bar schon zu sehr aus den unzähligen billigen Reportagen, die Anfang dieses Jahrtausends, während des großen Kuba-Hype auf allen Fernsehkanälen rauf und runter liefen. Mit den ganzen Touristen und den tausenden an den Wänden gekritzelten Trinksprüchen und Unterschriften langweilte das Ambiente. Es war ausgelutscht, war nicht mal den Cuba Libre wert den ich dort trank!

Mr. Rith, der Oberkellner, gesellte sich zu mir. Weißes Hemd und schwarze Hose, wie sich das gehört. Ich fragte ihn ein wenig aus. Vieles wusste ich ja schon, was ich mir aber nicht anmerken ließ. Immerhin, er wusste die Jahreszahl an dem das Hotel eröffnet worden ist. Nicht unbedingt üblich in diesem Teil der Welt. Er erzählte mir auch, dass die Elephant Bar erst vor Kurzem renoviert wurde und kaum noch etwas original sei. Selbst die nostalgischen Rattansessel mussten den braunen Ledersesseln weichen. Auch seien die Räumlichkeiten jetzt dreimal größer als zuvor. Nur noch die Malereien an der Wand seinen original. Etwas Enttäuschung. “Aber es sei immer noch derselbe Pianospieler von damals“, fuhr Mr. Rith fort. “Wie“ stutze ich, “der muss ja dann schon fast hundert Jahre alt sein?“ Dann erzählte er mir noch von einem reichen australischen älteren Paar, das hier zu einem Sonderpreis von 20.000 Dollar im Monat dauerhaft in einer der drei großen Suiten wohnte.

Es ist noch immer Regenzeit in Kambodscha. Das Wasser und die Winde rütteln an den schönen großen Fenstern der Elefantenbar. Die Palmen bogen sich in der Dunkelheit vor dem gegenüberliegenden 188 Meter hohen Wattanac-Capital-Tower, dem neuen architektonischen Wahrzeichen Phnom Penhs. Keine Möglichkeit die Bar zu verlassen. Mehr Kellner als Gäste. Ein paar Touristen und nur einige Gäste, die anscheinend auch hier wohnten. Im Fünfminutentakt läuft immer wieder der gleiche Kellner an meinem Tisch vorbei, mein Glas fest im Augenwinkel. Bei zehn Dollar für ein Bier, ließ ich aber gut sichtbar ein Viertel der blonden Flüssigkeit im Glas verweilen. Das ist so was wie eine Netiquette in solchen Etablissements, habe ich irgendwo mal gelesen, die es einem Kellner nicht erlauben zu fragen, ob man noch was trinken möchte.

TusksIst doch alles nur geklaut!TeeterrasseWattanacBlick Richtung EingangDie KarteThe DoormanLe Royal 1929

Kommentare 0

2. Phnom Penh – mal gut das es immerhin noch Sahra gibt…

Regenzeit. Die Temperatur steigt am Tage kaum noch über dreiunddreißig Grad. Dafür ist es luftfeuchter. Ich habe mir ein Apartment genommen, in der 172ten Straße, unweit des Königspalastes. Der Morgenlärm dringt von der Straße durch die offene Balkontür. Die Mopeds werden immer lauter. Fast schon so laut wie die in Indonesien. Aufmerksamkeit erzeugen um jeden Preis. Von meinem Bett aus kann ich die obersten Bauteile der goldenen Dächer des königlichen Anwesen, hinter den ganzen Kränen und Baugerüsten gerade noch so sehen. Nicht mehr lange. Phnom Penh wird täglich höher. Der Nescafé neben mir ist noch zu heiß, um ihn zu trinken. Weiterlesen

Kommentare 0

1. Sihanoukville – Victory Hill

Victory Hill in Sihanoukville, gelegen am Golf von Thailand. Beschreiben wir es kurzum als ein dekadentes Billigaussteigerplätzchen. Der Begriff Endstation – würde aber auch gut passen. Im Grunde genommen nicht mehr als ein paar Häuser und Gassen. Die eine Straße mit billigen Restaurants, die sich preislich gegenseitig unterbieten. Die andere mit Girliebars, die sich Sahara, Tropicana oder The Crazy German Sausage nennen. Fast jede Bar ist zu verkaufen, so fühlt es sich zumindest an. Die Idee vom Aussteigen bis zur Ankunft in der Realität, dauerte in Kambodscha oft nur wenige Monate. Auch das Foggy Notion wird grade umgebaut. Weiterlesen