Knapp sechs Wochen sind seit der Fähre von Kiel ins Baltikum vergangen. Es ist Sommer in Ulan-Bator, der laut Wikipedia kältesten Hauptstadt der Welt. Die Sonne scheint, und der Himmel ist strahlend blau. Bei 30 Grad ließ es sich aushalten. Und die neue Kultur wollte ja erst mal inspiziert werden. Beste Voraussetzungen. Ein paar Tage wollte ich bleiben, nach den langen Zugfahrten durch die russische Weite.
Mongolen sind größer als ihre asiatischen Nachbarn. Das wird besonders deutlich bei den Frauen, die ja weiter südlich nur selten die 1,60 Meter überschreiten. Die Sprache war auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig. Hörte sich so ein bisschen an wie Gurgeln beim Zähneputzen. Die Stadt selbst, hätte von ihrer Architektur auch eine Stadt im russischen Osten sein können. Plattenbauten, Staub, wenig Bäume, Schlaglochpisten, Ostblocktristesse. Aber es gab viele Biergärten mit durchaus genießbarem Bier. Die waren sehr beliebt. Der bekannteste Biergarten wurde nach bayerischem Vorbild errichtet. Wer etwas auf sich hielt in Ulan-Bator, traf sich dort auf ein kühles Glas Kahn-Bräu, gebraut nach deutschem Reinheitsgebot. Expats, Touristen und zu Wohlstand gekommene Mongolen tummelten sich in lauer Sommerluft auf rustikalen Holzbänken. Aber auch junge Mongolinnen, die Anschluss an die westliche Welt suchten.
Ulan Bator ist zu einem Ort geworden, an dem man viel Geld machen konnte, wenn man ein Gespür für den Markt und vor allem die richtigen Kontakte hatte. Ähnlich wie in Moskau, Kiew oder anderen postkommunistischen Städten, in denen die übliche Gemengelage aus Korruption, Konsumwut und neuer Armut herrscht. Glücksritter aus den ehemaligen Sowjetrepubliken wie Tadschikistan oder Usbekistan hatten sich hier niedergelassen. Die Mongolei ist eines der rohstoffreichsten Länder dieser Erde. Gold, Zinn, Kupfer und Uran liegen unter dem kargen Boden, der Landwirtschaft fast unmöglich macht. Knapp die Hälfte der 3 Millionen Mongolen lebte in UB – wie Ulan-Bator verkürzt genannt wird.
Die Goldgräberstimmung zeigte sich auch im Stadtbild. In der Innenstadt rauschen S-Klassen, BMWs, Lexuse und amerikanische Hummer-Jeeps über die staubigen Straßen. Ulan-Bator Hummer-Club – stand da gestern auf einem grellen breiten Neonschild in großen Buchstaben. In den hellen Shopping-Malls drängen sich stark geschminkte Damen in High Heels auf bis zu 15 cm hohen Absätzen vor den Schmuckauslagen. Wer eine Erdgeschosswohnung im Zentrum besitzt, hat sie in eine Boutique oder Bar verwandelt. Kyrillische Buchstaben auf bonbonfarbenen Türschildern spielten mit meiner Neugier.
In der Lobby meines Hotels wollte man mir Bärengalle verkaufen. Es sollte meine Sehschärfe verbessern. Ich lehnte dankend ab, vertraute doch lieber weiter meiner Brille. Es ist Hochsaison. Viele Gruppen, meistens Rentner aus Europa, wurden in Zweierreihen und Orientierungs-Wimpel durch die Stadt geführt.
Es ist Juli, dass alljährliche Naadam-Festival ist nicht mehr weit, das war überall zu sehen. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Das Naadam-Fest ist so was wie die mongolische Variante der Olympischen Spiele. Sie fanden im ganzen Land statt, wurden aber mit dem größten Pomp in Ulan-Bator gefeiert. Schon seit geraumer Zeit wurde das wichtigste mongolische Nationalfest aufwendig von der Tourismusindustrie vermarktet. Entsprechend teuer waren die Tickets – für uns sogenannten Nicht-Mongolen, wie an der Kasse im Stadion zu lesen war!
Schon während meiner ersten Stippvisite im Zentrum der Hauptstadt, sah ich Hakenkreuze und nazistische Parolen an Häuserwände und Mauern geschmiert. Das war völlig neu für mich. So was hatte ich zwar in Moskau gesehen, aber dort auch vermutet. Aber hier in Asien. Gelegentlich sah man Männer aber auch Frauen, gekleidet in auffälliger Nazimontur und eindeutigen Devotionalien wie dem Eisernen Kreuz oder der Hakenkreuzbinde. War das nur eine üble Modeerscheinung oder Ausdruck schlechter Gesinnung, und vor allem gegen wen richtete sich die Abneigung?
Tsagaan Khass – ist die größte Neonazigruppierung in der Mongolei mit angeblich 3.000 Mitgliedern – las ich später im Internet. Nach außen hin gibt die Bewegung vor, eine Umweltschutzorganisation zu sein die in erster Linie ausländische Minenunternehmen bekämpft, welche das Land ausbeuten. Man begrüßte sich mit “Sieg Heil“ und verstand sich eher nationalistisch als faschistisch – so ein Sprecher der Bewegung in einem Interview. Bekannt ist Tsagaan Khass für eine extrem anti-chinesische Gesinnung.
Die Mongolen waren ein stolzes Volk, fast etwas überheblich könnte man meinen. Dschingis Kahn war das unangefochtene Nationalheiligtum. Den Eroberer vergangener Tage in irgendeiner Form zu diskreditieren, konnte sehr schmerzhaft enden, hatte ich mir sagen lassen. Die Mongolen schienen sich eh gerne zu raufen. Wirkten nicht so friedfertig wie ihre Verwandten im Süden. Gewalt in der Ehe ist ein großes Problem. Nicht selten soll es auch vorkommen, dass Ausländer verprügelt werden. Besonders wenn der Ausländer mit einer einheimischen Frau gesichtet wird. Das stand sogar im Reiseführer. Man wollte keine Zustände wie in Thailand oder auf den Philippinen.
Diese Form der Selbstjustiz betraf insbesondere die ungeliebten Koreaner. Koreaner galten hierzulande als Sextouristen, die sich über die einheimischen Frauen hermachten. Es gab ein koreanisches Viertel, mit Massagen, Saunen und dergleichen. Flüge nach Seoul waren günstig. Auch ich war im Zuge meiner neuen Erkenntnisse auf Vorsicht getrimmt. Besonderes nach dem Vorfall mit der mongolischen Ärztin, die ich gestern ins Kino einlud. Aber außer bösen Blicken nichts gewesen.
Armut und nicht zuletzt die unwirkliche langanhaltende Kälte, trieb die Landbevölkerung in die Hauptstadt. Nur in Ulan-Bator gab es das ganze Jahr über Strom. Die Jurte ist bereits im Zentrum der Stadt angekommen. Weiter außerhalb gibt es große Jurtensiedlungen, die wie Stadtteile funktionierten, mit eigenen Namen und Straßen, die sogar auf Stadtplänen verzeichnet sind.
Das Naadam Festival zog sich für mein Empfinden etwas in die Länge. Ewiges Warten – ohne zu wissen was kommen wird. Und die Kommunikation wurde einem hier nicht leicht gemacht. Am wichtigsten war die Eröffnungsfeier – quasi ein Muss für jeden guten Mongolen. Wenn nicht im Stadion, dann zumindest am Fernseher. Unter tobenden Applaus wurden zuerst mongolische Funktionäre und Medaillengewinner vergangener Tage in offenen russischen Jeeps mit Pomp und Gloria durch das 20.000 Zuschauer fassende National-Stadion gefahren. Ganz vorne der Gewinner der ersten Goldmedaille, bei der Olympiade im Jahre 2008. Ein mächtiger Ringer mit großem runden Gesicht. Viele schöne landestypische Trachten, getragen mit aufrechtem Gang. Von den gar nicht so wenigen Touristen mit ihren Kameras und ihrer Neugier nahm man keine Notiz. Man schaute durch uns hindurch. Bogenschießen, Ringkämpfe, Pferderennen und anderes. Dschingis Kahn ließ grüßen. Auch die viele Frauen waren am Start – in fast allen Disziplinen. Nur der Ringkampf blieb ihnen verwehrt!
only got the understanding of “ to be continued“
maybe in one day,can we have any essay in English?