Angekommen! Das war nochmal eine ziemlich wilde Fahrt von der senegalesischen Grenze in die Hauptstadt des kleinen Landes. Die letzten hundertvierzig Kilometer meiner Reise dauerten nochmal gut sechs Stunden. Ich habe ja schon einige haarsträubende Pisten erlebt, aber diese Fahrt wird mir bestimmt im Gedächtnis bleiben.
Man merkte schon auf der unerwartet gut ausgebauten Einfallstraße, die in das Zentrum von Bissau führte, dass diese Stadt anders tickte als andere afrikanische Städte. Portugiesische Straßenschilder und Wegweiser. Der Verkehr der 400.000 Einwohner zählenden Stadt gestaltet sich deutlich gesitteter als im Senegal. Die Fahrzeuge sind für afrikanische Verhältnisse in einem recht guten Zustand, kaum Schrottkisten, keine Eselskarren oder Ähnliches. Und das, obwohl Guinea-Bissau eines der ärmsten Länder in Afrika sein soll, seltsam.
Als erstes stechen mir die vielen metallic blauen Taxen ins Auge. Alte Mercedes 190er, damals Baby- oder Türkenbenz genannt, gebaut von 1982 bis 1993. Sie bestimmen in jeglicher Hinsicht das Straßenbild. Siebzig Prozent des Verkehrs machen diese Fahrzeuge aus. Fantastisch. Das muss auf jeden Fall die weltweit größte Ansammlung dieser zuverlässigen Vehikel sein. Könnte vielleicht irgendwann mal sogar eine Touristenattraktion werden. Was auf Kuba die Ami-Schlitten sind, sind hier die alten 190er.
Portugiesische Kolonialbauten mit viel Patina prägen das Stadtbild von Bissau. Ich bin beeindruckt. Ganze intakte Straßenzüge, die Häuser fast immer mit schönen Balkonen. Meist am oberen Stockwerk hängend, oft ums gesamte Gebäude herum, mit Stahlgeländern. Nicht zuletzt dienen solche Balkone auch als wichtige Schattenspender, in den Straßen und Gassen. Die meisten Gebäude im Baustil um die 1920er bis 1960er Jahre. Viele mit Bewuchs auf den Dächern. Neuere Bauten gibt es im Zentrum kaum. Hochhäuser sieht man gar nicht.
Vor Bissau war Bolama die Hauptstadt von Portugiesisch-Guinea. Eine Insel, die zum Bijagos Archipel gehört, eine Inselgruppe vorgelagert vor der Küste. Leider ist Bolama wegen fehlender Infrastruktur nur mit einem der traditionellen Holzboote, einer Pirogue, zu erreichen. Gut dreißig Kilometer entfernt vom Festland, mehrere Stunden in einer Nussschale auf offener See. Das war mir die Sache nach den ganzen Mühen der letzten Wochen nicht wert. Aber ich will mich nicht belügen, vielleicht wird man im Alter auch ängstlicher.
Viele der Straßen in der Hauptstadt sind nicht asphaltiert, dementsprechend staubig ist es. Feiner roter Staub, man kommt kaum dagegen an. Mein Guesthouse, geführt von einem großen schwarzen Portugiesen, befindet sich kaum hundert Meter vom Zentrum und vom schwer bewachten Präsidentenpalast entfernt. Aber auch hier kein Asphalt, obwohl es einer der besten Wohngegenden Bissaus sein soll.
Mehrmals am Tag fällt der Strom aus und damit auch das Internet. Mein Guesthouse hat, wie übrigens auch viele Restaurants in Bissau, kein Namensschild. Man möchte nicht erkannt werden, meint Nico, der Guesthouse-Besitzer, sonst steht fast jeden Tag eine andere Behörde vor der Tür und bettelt um Geld.
Der Latinoeinschlag der Stadt ist noch deutlich zu spüren. Immerhin waren die Portugiesen bis Ende 1974 hier. Ab mittags ist Siesta. Dann sieht man kaum noch Leute auf der Straße. Ich mag diese Ruhe und Gemächlichkeit. Mit etwas Fantasie spürt man fast was Kubanisches. An der portugiesisch beeinflussten Musik, wie sich die Menschen kleiden, an den verfallenen Treppenhäusern, wenn die Türen der Häuser offen stehen. Die Menschen sprechen hier Creole, eine Mischung aus Portugiesisch mit französischen und afrikanischen Sprachanteilen. Und es gibt endlich auch wieder Cafés, also solche, bei denen man draußen sitzen kann und beobachtet. Die Frauen zeigen wieder ihre Haare und der Muezzin singt nur am Stadtrand.
Eine gut erhaltene Kirche gibt es im Zentrum. Noch gut zwanzig Prozent der zwei Millionen Einwohner von Guinea-Bissau sind Christen. Hochkorrupt und arm sei das Land. Ersteres ist deutlich zu sehen an den dicken Limousinen. Meistens SUV oder Geländewagen. Gar nicht selten auch mal einen Jaguar X-Type der 2000er Jahre. Wie die wohl hierher gekommen sind? Hier in Bissau geht sicherlich vieles nicht mit rechten Dingen zu. Fast alles wird importiert in Bissau, dementsprechend die Preise in den Supermärkten. Nicht wenige ältere portugiesiesche Herren sieht man in den Cafés, meist gut gekleidet, mit Zigarette vor einem Galao. Vor jedem Haus hockt gefühlt ein gelangweilter Seguranca, eine Security, obwohl es hier recht sicher scheint. Der Mindestlohn liegt bei sechzig Euro im Monat, während ein Milchkaffee schon um zwei Euro kostet. Viel Polizei und Militär. Die Polizei soll fast gar nichts verdienen. Sie verdienen ihr Geld hauptsächlich durch das Verteilen von Bußgeldern, so Nico.
Bissau muss wohl die Stadt mit der höchsten Zebrastreifendichte weltweit sein. Gefühlt alle zwanzig Meter ein frisch gemachter Zebrastreifen, der an Professionalität kaum zu überbieten ist. Scharfkantig und akkurat. In der ganzen Stadt. Leider interessieren sich die Autofahrer hier vor Ort kaum dafür. Das heißt, die Zebrastreifen werden fast vollkommen ignoriert. Wahrscheinlich sind es dafür auch zu viele, sind einfach deplatziert.
Ein einheimischer Portugiesisch-Lehrer, den ich gestern kurz kennenlernte, meinte, die EU hätte die Zebrastreifen gespendet. Die Autofahrer müssten sich erst einmal daran gewöhnen, das wird aber noch dauern. Ich musste schmunzeln und irgendwie gleich an Radwege in Peru denken.
Immer wieder interessant, deine Reiseberichte! Freue mich schon auf den nächsten Blog. 🙂