Über den Caprivistreifen, einem schmalen Korridor zwischen Botswana und Sambia im äußersten Nordosten Namibias, ging es in die Hauptstadt Windhuk. Nach langer Reise durch die 3. Welt, sind wir angekommen im westlich geprägten Teil Afrikas. Sambia war quasi der Übergang.
Niemand labert uns mehr dumm an oder möchte uns in ein dubioses Geschäft verwickeln. Nur noch die Taxifahrer hupen gelegentlich, um uns zu signalisieren, dass sie für uns Zeit hätten. Die schwarze Bevölkerung Windhuks, vor allem die Frauen, ist schick gekleidet, gibt sich kultiviert. Es riecht nach Parfüm. Man hat sich den Lebensbedingungen angepasst.
Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwest-Afrika zählt heute gerade mal 2,1 Millionen Einwohner. Kalahari, Farmen, Diamantenminen, Geländewagen, Atlantikküste, Glotzende Sträuße (Ostriches) an Highways und noch mehr Wüste. Große Distanzen zwischen wenigen Ortschaften. Windhuk, eine der sichersten Hauptstädte Afrikas, 320.000 Einwohner. Restriktive Zuwanderungspolitik; man möchte hier keine südafrikanischen Verhältnisse, erzählt man uns.
Obwohl unsere Urgroßväter nur ein kurzes Gastspiel in Südwest gaben, lässt sich die deutsche Handschrift noch deutlich erkennen. Von 1884 (Anfangs nur als dt. Schutzgebiet) bis zum Ende des 1. Weltkrieges gab man sich die Ehre, in diesem entlegenen Teil der Welt. Also nur rund 35 Jahre. Bereits während des Ersten Weltkrieges wurde Deutsch-Südwest von Südafrika besetzt und durch Beschluss des Völkerbundes 1920 der Südafrikanischen Union als Mandatsgebiet zugeteilt. Der südafrikanischen Verwaltung gelang es in den darauf folgenden Jahren, den deutschen Einfluss nachhaltig zu reduzieren und Namibia zu südafrikanisieren. Einschließlich der Ausdehnung der Apartheidspolitik auf das Mandatsgebiet! Erst 1990 führte die SWAPO, die bis heute ohne Unterbrechung regierende Partei, das Land in die Unabhängigkeit
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Viele der Straßen, Plätze und Gebäude Windhuks tragen noch heute deutsche Namen. Zahlreiche Geschäfte preisen sich in deutsche Sprache an. Schmücken sich mit dem Gütesiegel Made in Germany. Heißen Ratzsch‘s Bäckerei, Tischlerei Lorenz oder Alte Buchhandlung Windhuk. Die Kenntlichkeit wird gerne in altdeutscher Schrift zum Ausdruck gebracht. Nicht zuletzt für die zahlreichen wehmütigen dt. Touristen älterer Generation.
Neben den 26.000 deutschstämmigen Namibiern, gibt es hier auch viele andere Europäer. Vor allem solche, die dem immer gefährlicher werdenden Südafrika den Rücken kehren oder in den letzten Jahren aus Mugabes Zimbabwe übergesiedelt sind. Einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung Namibias, stellen die sog. Coloureds. Nachfahren schwarz-weißer-malaiischer-indischer Vermischungen, mittlerweile eine fast eigene Rasse. Heute sieht man kaum Mixed Couples auf Namibias Straßen. Die Hautfarben bleiben eher unter sich.
Auffällig auch die groben, einfach geschnittenen Gesichter der einheimischen weißen Bevölkerung. Farmerfaces nannte Kerouac solche Gesichter gerne in seinen Romanen…
In Sonjas Kaffeestübchen, gelegen in einem Shoppingkomplex in der Windhuker Innenstadt, gleich neben einer Pick & Pay Filiale, bezog unsere kleine Redaktion jeden Morgen Posten um die Gepflogenheiten, Bewegungen und Moden der namibischen Mittelklasse zu studieren. Die mit Salami und Käse belegten Brötchen bei Sonja verkauften sich außerordentlich gut. Dadurch wurden ständig interessante Studienobjekte an die Glasvitrine mit der leckeren Ware gelockt.
Zum Kaffee gab es für uns jeden Morgen die „Allgemeine Zeitung“ um herauszufinden wie die deutsche Seele, so weit entfernt vom Mutterland tickt. Der Inlandsteil war eher spärlich. Dennoch: Die Löhne für Farmarbeiter wurden gerade erhöht, auf umgerechnet 35 €Cents die Stunde! Es ging um zunehmende Wilderei in der Etosha-Pfanne, dem bekanntesten Nationalpark im Land und um die korrupte Air Namibia die so viele namibische Dollar verbrennt. Ferner hatte Deutschland gerade seine Hilfen für Namibia reduziert, da sich das Land so gut entwickelt habe. Unter der Rubrik Europawetter, wurden in dem Blatt nur die Städte Zürich, Frankfurt, Berlin, Wien und München aufgeführt?! Europa war für die namibische Allgemeine Zeitung scheinbar ein rein deutschsprachiges Phänomen.
Morgen geht es mit dem Nachtzug nach Swakopmund, der Ort in Namibia mit den meisten deutschstämmigen pro m²…